Die Motion Romano zur alternierenden Obhut
Die vom Tessiner Mitte-Nationalrat Marco Romano in der Herbstsession 2022 eingereichte Motion «Grundsätzliches Recht der Kinder auf alternierende Obhut nach der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern» wurde am 25. September 2023 von der Mehrheit des Nationalrats angenommen. Die Motion verlangt die Einführung der alternierenden Obhut als Regelfall für Kinder von getrenntlebenden Eltern. Bereits heute ist die zuständige Behörde, also das Gericht oder die KESB, in einem Trennungsverfahren gesetzlich verpflichtet, die Möglichkeit einer alternierenden Obhut zu prüfen, sofern ein Elternteil oder das Kind dies verlangt. Die Motion von Marco Romano geht nun aber einen Schritt weiter und verlangt, dass die alternierende Obhut zum Regelfall wird und nur bei triftigen, objektiven Gründen ausgesetzt werden soll.
Motionstext:
Der Bundesrat wird beauftragt, das Zivilgesetzbuch so anzupassen, dass Kinder gemäss dem Grundsatz der Rechtsgleichheit grundsätzlich und gleichermassen von der Betreuung und Erziehung durch beide Elternteile - der alternierenden Obhut - profitieren können, wie dies bereits bei der gemeinsamen elterlichen Sorge die Regel ist. Das Recht auf zwei Elternteile muss den individuellen Rechten der beiden Elternteile vorgehen, sodass die Kinder gleich viel Zeit mit jedem der beiden Elternteile und deren Verwandtschaft [verbringen können.]
Begründung:
Grundsätzlich und in der Regel müssen Gerichte und Kindesschutzbehörden das Recht der Kinder auf gleichwertige Beziehungen zu ihren Eltern am stärksten gewichten und damit das Recht der Kinder auf alternierende Obhut über andere Formen der Betreuung stellen. Die biomedizinischen und sozialen Folgen von Trennungen und Scheidungen für das Wohl der Kinder sind hinlänglich bekannt. Das Gericht muss zum Wohl und im Interesse der Kinder entscheiden und in den von den Eltern eingeleiteten Trennungs- und Scheidungsprozess eingreifen und die alternierende Obhut durchsetzen und genehmigen. Es macht zudem die Eltern auf die Folgen mangelnder Zusammenarbeit aufmerksam. Die Trennung muss also aus dem Blickwinkel des (gegenwärtigen und künftigen) Kindeswohls erfolgen. Die Hauptbegünstigten der alternierenden Obhut müssen die Kinder sein. Das Recht auf zwei Elternteile muss den individuellen Rechten der beiden Elternteile vorgehen, sodass die Kinder gleich viel Zeit mit jedem der beiden Elternteile und deren Verwandtschaft verbringen können. Wie die Erfahrungen mit der alternierenden Obhut zeigen, legen sich die Divergenzen zwischen den Elternteilen innert kurzer Zeit. Dies im Unterschied zu den heute leider noch überwiegenden Fällen mit alleiniger Obhut. Die beiden Elternteile müssen auf Augenhöhe sein und gleichermassen Verantwortung, Pflichten und Kosten übernehmen und so das Wohl des Kindes rundum sicherstellen, indem sie es und die persönlichen Beziehungen zu ihm und der ganzen Familie pflegen, die Erziehung und die Fürsorge garantieren und seine Güter verwalten und auf seine Gesundheit achten. Dank der alternierenden Obhut lassen sich auch kostspielige Gerichtsverfahren verhindern, die ausschliesslich darauf aus sind, einen Elternteil zu delegitimieren und diesen Elternteil in einen blossen Geldgeber für den anderen Elternteil und das Kind zu transformieren.
Der Antrag des Bundesrats
Im Bundesrat ist Frau Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP) als Vorsteherin des Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) für diese Vorlage zuständig. Der Bundesrat beantragte im Nationalrat unter fadenscheinigen Argumenten, auf die aufgrund ihrer Inhaltsleere hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen wird, die Motion Romano abzulehnen (!). Bereits hier zeichnete sich das peinliche und erbärmliche Bild ab, das die SP in der Angelegenheit der alternierenden Obhut als eine in Familienfragen mehrheitlich rückständige, mehr dem Matriarchat als dem Kindeswohl verpflichtete Partei bot.
Die Abstimmung im Nationalrat
Die Motion Romano wurde im Nationalrat – entgegen dem Antrag des Bundesrats! – klar mit 112 Ja zu 42 Nein angenommen. Es gab 22 Enthaltungen (plus 1, weil der Bundespräsident nicht stimmt) und 23 Absenzen, darunter wie üblich auch Roger Köppel (SVP), der "Absenzenkönig" der vergangenen Legislatur.
Vorbildlich war das Abstimmverhalten der Mitte-Partei und der Grünliberalen, wo alle Anwesenden Ja stimmten.
Weitere grosse Mehrheiten zugunsten der Motion Romano waren in den Fraktionen der SVP und der FDP vorhanden:
- SVP: 39 Ja zu 10 Nein bei 1 Enthaltung
- FDP: 19 Ja zu 6 Nein bei 1 Enthaltung
Besonders positiv fiel bei der SVP auf, dass alle SVP-Frauen die Motion Romano annahmen.
Ein rätselhaftes, uneinheitliches und aufgrund des Absenzenrekords aller Parteien auch ziemlich unprofessionelles Bild gaben die Nationalräte der Grünen Partei (GPS) ab:
- GPS: 7 Ja zu 6 Nein bei 10 Enthaltungen (!) plus 7 Absenzen (!)
Das bedeutet also, dass von total 30 Nationalräten der GPS nur 7 die Motion Romano angenommen haben. Das ist zwar ziemlich schwach, aber immerhin überwog die Anzahl der Ja-Stimmen diejenige der Nein-Stimmen knapp.
Die EVP, eine glücklicherweise nur kleine Partei, sprach sich anteilsmässig am klarsten gegen die Motion aus, und zwar mit 2 Nein und 1 Enthaltung. Folgende EVP-Nationalräte waren für die Nein-Stimmen verantwortlich:
- Marc Jost, EVP Bern
- Lilian Studer, EVP Aargau
Ausgerechnet die sich in Familienfragen jeweils ziemlich aufdringlich als "modern", "progressiv" usw. gebärdende SP bot ein ausserordentlich rückständiges, strukturkonservatives Abstimmverhalten:
- SP: 8 Ja zu 18 Nein bei 9 Enthaltungen plus 4 Absenzen
Das bedeutet also, dass von total 39 Nationalräten der SP nur 8 die Motion Romano angenommen haben und dass mehr als doppelt soviele Nein-Stimmen abgegeben wurden! – Man kann das wirklich nur peinlich nennen. Aus Platzgründen werden hier nur die profiliertesten SP-Nationalräte aufgelistet, die die Motion Romano abgelehnt haben:
- Cédric Wermuth, SP Aargau, Co-Präsident SP Schweiz
- Mattea Meyer, SP Zürich, Co-Präsidentin SP Schweiz
- Prisca Birrer-Heimo, SP Luzern
- Yvonne Feri, SP Aargau
- Claudia Friedl, SP St. Gallen
- Fabio Molina, SP Zürich
- Jon Pult, SP Graubünden, Bundesratskandidat
- Priska Seiler Graf, SP Zürich
Es ist auffällig, dass sogar auch junge SP-Nationalräte derart beschränkte und rückständige Positionen vertreten. Aufgrund ihrer Lippenbekenntnisse in den Medien wäre dies eigentlich nicht zu erwarten. Ihr progressives und auf modern gestyltes Auftreten hat sich anhand ihres tatsächlichen Abstimmverhaltens nun aber als leeres Geschwurbel erwiesen.
Wie geht es weiter?
Auf jeden Fall geht diese Vorlage nun in den Ständerat. Es ist gut möglich, dass sie dort bereits in der Frühlingssession 2024 behandelt wird. Nach einer allfälligen Annahme im Ständerat würde dann die entsprechende Gesetzesänderung konkret ausgearbeitet. Es bleibt zu hoffen, dass es an Weihnachten 2024 gleich nochmals ein schönes Geschenk gibt! – Die Kinder, die Väter sowie die tatsächlich progressiv denkenden Frauen in diesem Land würden sich freuen.