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Parental Alienation – Wir leben in einer entfremdeten Gesellschaft: Das Thema Eltern-Kind-Entfremdung geht jeden etwas an!

In der Zusammenarbeit mit unseren Mitstreitern in Deutschland für alternierende Obhut, gegen Eltern-Kind-Entfremdung (englisch: Parental Alienation oder PA) und für Vaterrechte nach Trennung und Scheidung sind wir auf den Zustandsbericht zur Lage im Familienrecht in Deutschland vom 14.5.2021 gestossen. Initiiert und verfasst wurde dieser von www.papa-mama-auch.de nicht als eine wissenschaftliche Arbeit; vielmehr wollte man Betroffene unterstützen, ihnen eine Stimme geben und positive Veränderungen einleiten.

Gedacht war dies 2019 einfach nur als Umfrage bei Betroffenen, und nach dem Aufruf zum Mitmachen über soziale Medien haben 1'177 Menschen im August/September 2019 einen umfangreichen Fragebogen zum Thema Eltern-Kind-Entfremdung ausgefüllt. Neben allgemeinen Fragen zur Familiensituation vor dem Kontaktabbruch wurde auch die Arbeit der involvierten Jugendämter, der Familiengerichte oder der Beratungsstellen kommentiert, um einen Beitrag für Innovationen zu leisten und Verständnis und Veränderungen zu initiieren. Der Bericht enthält neben den Auswertungen des Fragebogens auch die eindrücklichen, persönlichen Geschichten von anonymisierten Betroffenen (entfremdeten Elternteilen und entfremdeten Kindern) sowie die Aussagen von Fachkräften wie Richtern, Rechtsanwälten, Psychologen und Sozialarbeitern.

 

Ergebnisse und Analyse der Umfrage

Je nach Quelle verlieren in der Bundesrepublik Deutschland unter den gegenwärtigen Bedingungen zwischen 30.000 und 40.000 Kindern infolge Trennung und Scheidung, bzw. infolge elterlicher Streitigkeiten oder mangelnder Bindungstoleranz, einen Elternteil.

Wenn den Kindern ein Elternteil verloren geht, verlieren sie fast immer auch Oma und Opa, sowie weitere Bezugs‐, Vertrauens– und Schutzpersonen.

 

Hochgerechnet auf die vergangenen 35 Jahre sind dies im Schnitt mehr als 1.25 Millionen entfremdete Kinder, wobei dazu nochmals das betroffene Umfeld mit Eltern und Grosseltern hinzuzurechnen ist und somit schnell mehr als 5 Millionen von Eltern-Kind-Entfremdung Betroffene in Deutschland zusammenkommen.

 

Das heisst: Wir leben in einer entfremdeten Gesellschaft;

Das Thema Eltern-Kind-Entfremdung geht jeden etwas an!

 

Methodisch ist anzumerken, dass beim Zustandsbericht für Deutschland leider keine statistisch repräsentative Stichprobe erfolgen konnte und die Ergebnisse auf Rückmeldungen von Betroffenen basiert. Ein vollständiges Bild ist zwar nicht ableitbar. Es wird aber doch das Ausmass der Betroffenen deutlich, und die berichtete Leiderfahrung und Hilflosigkeit der betroffenen Eltern offenbart tiefe, defizitäre Erfahrungen mit der Jugendhilfe- und Familienrechtspraxis. Als Hauptkritikpunkte werden fehlendes Wissen, fehlende Handlungskonzepte und falsche bzw. mangelhafte Intervention bei Fachkräften ausgemacht.

 

Als Merkmale der Eltern-Kind-Entfremdung gelten:

  • …der intensive Einbezug des Kindes in elterliche Partnerschaftskonflikte, verbunden mit Partnerabwertung zwischen den Eltern, einseitig oder beiderseits.
  • …eine in der Regel asymmetrische Betreuungsaufteilung mit der Folge des Wegfalls selbstverständlicher Alltagsroutinen des Kindes mit dem anderen der beiden Eltern.
  • …mangelndes bindungsfürsorgliches Elternverhalten.

 

Eltern-Kind-Entfremdung führt zu kindlicher Kontaktablehnung, die vor diesem Hintergrund einem Versuch des Kindes entspricht, sich einer hochbelastenden und für es selbst nicht auflösbaren Situation zu entziehen – um den Preis der Verneinung der Hälfte seiner familiären Herkunft und damit auch eines Teils seiner selbst, sowie um den Preis des Verlustes einer seiner beiden wichtigsten Bindungspersonen.

 

Handlungsmöglichkeiten von Ausgrenzung betroffener Eltern

Erfahrungen aus der Praxis der Jugendhilfe zeigen häufig, dass ausgegrenzte und dem Anschein nach vom Kind abgelehnte Eltern sehr stark verunsichert sind, wie sie sich verhalten sollen. Dabei zeigen sich recht deutlich zwei wiederkehrende Verhaltensvarianten.

  • Bei der einen Variante meinen die betroffenen Eltern, es sei das Beste, sich dem (vermeintlichen) Wunsch des Kindes zu fügen, da man es zu einem nicht gewollten Kontakt und gegen den Widerstand des hauptbetreuenden Elternteils nicht drängen könne. Diese Eltern ziehen sich aus ihrer elterlichen Rolle und dem familiären Kontakt zurück und überlassen das familiäre Feld dann meist dem anderen Elternteil.
  • Bei der anderen Verhaltensvariante wenden sich die Eltern an das Gericht oder das Jugendamt in der Hoffnung, mit deren Hilfe zu ihrem “Recht” zu kommen. An die behördlichen Institutionen und deren Fachkräfte wird dabei die Erwartung gerichtet, dass – salopp gesprochen ‐ endlich einmal jemand dem anderen Elternteil „richtig die Meinung sagt“ und dafür sorgt, dass der Kontakt zum Kind wieder hergestellt wird.

 

Beide Verhaltensweisen führen in der Regel nicht zum Erfolg und münden in tiefe Enttäuschung und Verbitterung. Der Grund liegt darin, dass sowohl passiver Rückzug, in Verbindung mit blossem Abwarten, als auch das Delegieren von Kommunikation und Handeln auf externe Instanzen die innerfamiliäre Beziehungsstörung und deren Auswirkung auf das kindliche Empfinden nicht auflösen.

 

Welche alternativen Handlungsmöglichkeiten gibt es?

Es bleibt oft nichts anderes übrig, als eine familiäre Konstellation, ein Beziehungsgefüge zu verändern, von dem man selbst ein Teil ist. Das erfordert, Fertigkeiten zu entwickeln, durch die man in die Lage versetzt wird, durch Änderung des eigenen Verhaltens Veränderungen zu induzieren und herbeizuführen, anstatt vom anderen zu fordern, er/sie solle diese Arbeit machen. Dies ist alles andere als eine leichte Übung. Aber es ist möglich, diese Fertigkeiten zu erlernen und darüber die familiäre Situation positiv in Bewegung zu bringen.

  • Es geht in der Entfremdungssituation darum, weiterhin aktiv Vater und Mutter zu bleiben und nicht das Feld zu räumen oder in blossem Anklagen zu verharren.
  • Es geht darum, trotz Entfernung zum Kind in geeigneter Weise Kontakt zum Kind zu suchen und zu pflegen (auch wenn keine Unterstützung und/oder Abwehr des früheren Lebenspartners erfolgt) mit den Möglichkeiten, die dennoch aus der Distanz zur Verfügung stehen. Durch freundliche, unaufdringliche Anteilnahme per Brief, Päckchen, Mail etc. an wichtigen Ereignissen des Kindes (Zeugnis, Geburtstage, Weihnachten, Ferienbeginn etc.); durch eigenständige Teilnahme an schulischen Ereignissen (Elternabend, Elternsprechstunde, Schulfeste etc.), durch Briefe/Postkarten/Mail mit kindgerechten Mitteilungen aus dem eigenen Leben.
  • Es geht darum zu zeigen, als Mutter oder Vater da zu sein und sich aus der Entfernung mit um das Kind zu kümmern. Die Kinder werden dies bemerken, auch wenn sie es zunächst nicht zeigen.

 

Diese Kommunikation ist nicht einfach und muss sensibel erfolgen. Sie braucht Empathie und Übung. Es ist schwer, in einer angespannten familiären Situation, abgetrennt vom eigenen Kind und konfrontiert mit ablehnendem Verhalten, sich immer gut und richtig zu verhalten. Deshalb ist es sinnvoll und nützlich, sich dafür Hilfe und Unterstützung durch psychologisches Coaching zu suchen, in dessen Rahmen man das eigene Verhalten besprechen kann; dies auch im Hinblick auf die Kommunikation und Interaktion mit dem früheren Lebenspartner, den beiderseitigen Grosseltern, den Fachkräften in der Kita und der Schule bis hin zu involvierten Fachkräften der Jugendhilfe oder des Gerichts. Familienberatungsstellen, freie Therapeuten, Mediatoren und auch Selbsthilfegruppen bieten solches Coaching an. Die Fachpersonen sollten dabei mit dem Phänomen Eltern‐Kind‐Entfremdung und Kontaktablehnung fachlich vertraut sein.

 

Einholung professioneller Unterstützung

Ein zentraler Faktor zur Veränderung der bestehenden Familiendynamik ist die Mitwirkungsbereitschaft beider Eltern. Auch hier gilt: zunächst eigene aktive Ansprache zum Aufsuchen einer professionellen Familienberatung. Kommt es trotz Bemühung nicht zu einer Zustimmung zu gemeinsamer Beratung, dann braucht es an dieser Stelle professionelle Unterstützung. Hier kann es Sinn machen, noch vor dem Jugendamt einen Mediator einzuschalten, oder eine Familienberatungsstelle, die mit dem Vorschlag, eine gemeinsame Beratung aufzusuchen, an den früheren Lebenspartner herantritt. Gelingt hierüber kein Fortschritt, wird an dieser Stelle Hilfe durch das Jugendamt benötigt.

Eine Familiensituation mit Anzeichen von Eltern‐Kind‐Entfremdung ist als eine familiäre Beziehungsstörung mit deutlichen belastenden Auswirkungen auf das Wohlbefinden aller Familienmitglieder (den Kindern, den Eltern, sowie den Grosseltern), verbunden mit belastenden und benachteiligenden Sozialisations‐Bedingungen für die involvierten Kinder zu bewerten. Gleichzeitig werden gültige Rechte der Eltern, der Kinder sowie der Grosseltern auf familiären Kontakt und eine förderliche Entwicklung der Eltern‐Kind‐Beziehungen verletzt.

 

Beide Aspekte sind ein hinreichender Grund, um professionelles, familienunterstützendes Handeln durch die Jugendhilfe (Jugendhilfe und Familienberatungsstellen) sowie durch das Familienrechtssystem (Mediation, Familiengericht) und deren klare gesetzliche Grundlage einzufordern.

 

Handlungsmöglichkeiten von Familienberatung, Jugendhilfe und Familiengericht

Jugendhilfe, Familienberatungsstellen und Familiengerichte stehen vor der Aufgabe, beim Auftreten kindlicher Kontaktablehnung in richtiger Weise zu intervenieren. Dabei hat sich blosses Abwarten in der Hoffnung, die unterbrochene Kind‐Eltern‐Beziehung werde durch ein „zur Ruhe kommen lassen“ des Kindes, bis dieses von selbst wieder Kontakt aufnehmen möchte, sich gleichsam von allein wieder herstellen, als nicht wirksam erwiesen. In der Praxis sind so gut wie keine erfolgreichen Beispiele dafür bekannt.

 

Wirksame Intervention

Aus der Kenntnis der Genese kindlicher Kontaktablehnung lassen sich die Elemente für eine wirksame Intervention ableiten. Dazu gehören…:

  • …die schnelle Festlegung bindungserhaltender Kontaktregelungen zur Vermeidung längerer Kontaktunterbrechungen, vereinbart oder gerichtlich verfügt;
  • …die Minderung der situativen Konfliktbelastung für das Kind durch die Praktizierung paralleler Elternschaft (>> alternierende Obhut);
  • …Kontaktunterbrechung der streitenden Eltern voneinander, nicht des Kontaktes der Eltern zum Kind (!);
  • …Herstellung der Übergänge des Kindes zwischen den Elternhäusern, vermittelt über den neutralen Raum von Kita, Schule, neutrale Dritte;
  • …Psychoedukation der Eltern durch Aufklärung über die Zusammenhänge und beschädigenden Folgen von Eltern‐Kind‐Entfremdung;
  • …der Abbau von Partnerabwertung und die Rückgewinnung des Blicks der Eltern auf die emotionalen Bedürfnisse ihres Kindes;
  • …Hinführung der Eltern zu bindungsfürsorglichem Verhalten durch psychologische Beratung, Elterncoaching und Elterngruppentrainings;
  • …professioneller psychologischer Beistand für das Kind (pädagogische Unterstützung, Teilnahme an Trennungskindergruppe);
  • …Vermittlungsgespräche und praktische Kontaktherstellung (!) zwischen dem Kind und der abgelehnten Elternperson durch das Öffnen von Kontaktwegen (Brief, Telefon, Mail, Smartphone);
  • …die Herbeiführung positiv gestalteter Begegnungen zwischen dem Kind und dem ausgegrenzten Elternteil.

 

Eine wesentliche Schwierigkeit besteht darin, dass die betroffenen Eltern in der Regel kein einheitliches Problembewusstsein über das Phänomen und eine eher konträre Motivlage zur Bearbeitung der familiären Situation haben. Während die Elternperson ohne Kontakt zum Kind Leidensdruck empfindet und um institutionelle Hilfe nachsucht, sieht die mit dem Kind zusammenlebende Elternperson meist keinen Handlungsbedarf und möchte vor allem in Ruhe gelassen werden. Die Chancen für das freiwillige Einlassen beider Eltern auf Beratung und Veränderung sind deshalb meistenteils gering. An dieser Stelle kann sich die Jugendhilfe dementsprechend nicht allein auf freiwillige Beratungsangebote beschränken.

Insofern steht die Jugendhilfe hier in der Pflicht, durch aktive Intervention – auch unter Rückgriff auf die Möglichkeit der Auflagenerteilung per Gesetz zur verpflichtenden Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung und Beratung diese Gefährdung abzuwenden.

Von der Jugendhilfe muss erwartet werden, dass sie im Fall drohender oder eingetretener Eltern‐Kind‐Entfremdung aktiver als sie dies bisher tut, eingreift und handelt.​​​​

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