Das geltende Schweizer Erbrecht ist über hundert Jahre alt und nicht mehr zeitgemäss. Folgende Änderungen treten per 1. Januar 2023 in Kraft: Erblassende erhalten mehr Freiheiten, wem sie ihr Vermögen zukommen lassen möchten. Gleichzeitig wird es für Unternehmerinnen und Unternehmer einfacher, ihre Firma zu vererben.
Vor hundert Jahren war das Familienbild eng gefasst: Patchwork-Familien und Scheidungen waren die Ausnahme und Konkubinat ein Tabu. Auf solche Beziehungen ist das momentane Erbrecht der Schweiz nicht zugeschnitten, darum wird es jetzt modernisiert. Durch die Revision möchte der Bundesrat mit seinem Beschluss vom 19. Mai 2021 eine bessere Berücksichtigung von faktischen Lebensbeziehungen im Erbrecht bewirken.
Grundsätzlich soll der überlebende faktische Lebenspartner weiterhin nur dann erbrechtlich begünstigt werden, wenn dies der Erblasser ausdrücklich vorsieht. Zudem wird ab 1. Januar 2023 unter anderem der Pflichtteil der Nachkommen kleiner. Heute stehen bei verheirateten Erblassern den Kindern 3/8 als Pflichtteil zu. Neu beträgt ihr Pflichtteil nur noch 1/4. Gleichzeitig steigt die freie Quote von 3/8 auf 1/2. Erblasser können also über einen grösseren Teil des Nachlasses frei verfügen.
Verlust des Pflichtteils während eines Scheidungs- oder Auflösungsverfahrens
Bis anhin hat der Ehegatte bzw. eingetragene Partner seinen Erb- und Pflichtteilsanspruch erst bei Vorliegen eines rechtskräftigen Scheidungs- bzw. Auflösungsurteils verloren. Verstirbt ein Ehegatte bzw. Partner während eines hängigen Scheidungs- bzw. Auflösungsverfahrens, verliert der überlebende Ehegatte/Partner neu seinen Pflichtteilsanspruch, wenn (i) das Scheidungsverfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet oder nach den Vorschriften über die Scheidung auf gemeinsames Begehren fortgesetzt wurde oder (ii) die Ehegatten mindestens zwei Jahre getrennt gelebt haben. Ohne entsprechende letztwillige Verfügung behält der überlebende Ehegatte/Partner jedoch, wie bis anhin, seinen gesetzlichen Erbanspruch bis ein rechtskräftiges Scheidungs- bzw. Auflösungsurteil vorliegt. Soll der überlebende Ehegatte/Partner nichts erhalten, ist folglich eine stets letztwillige Verfügung notwendig.
Zudem ist neu vorgesehen, dass der Ehegatte bzw. eingetragene Partner nach Einleitung des Scheidungs- bzw. Auflösungsverfahrens mangels abweichender Regelung keine Ansprüche mehr aus allfälligen Testamenten und Erbverträgen geltend machen kann. Damit sollen Anreize zur taktischen Verzögerung des Verfahrens beseitigt werden.
Diese Punkte sollten Lebenspartner beachten
Das Erbrecht regelt das Konkubinat nicht. Ohne spezielle Regelung haben darum Konkubinatspartner und ihre Kinder auch nach der Revision des Erbrechts keinen Anspruch auf das Erbe. Das kann stossend sein. Weil solche Beziehungen sehr unterschiedlich sein können, sollen auch nach der Reform des Erbrechts nicht das Gesetz, sondern immer noch die Erblasser entscheiden dürfen, wen sie begünstigen möchten. Künftig haben die Erblasser dabei einen grösseren Spielraum – weil die Pflichtteile der Nachkommen kleiner werden und jene der Eltern ganz wegfallen.
Bitte handeln und nicht zuwarten!
Seinen Nachlass sollte man regeln, bevor es dafür zu spät ist. Besonders Trennung und Scheidung stellen die bisherigen Zukunftsabsichten auch im Bereich der Nachlassplanung auf den Kopf. Auch wenn man Kinder hat, eine Firma gründet oder in Pension geht, sollte man seinen Nachlass regeln. Auch Konkubinatspaare und Patchwork-Familien müssen Regelungen treffen, damit es bei der Erbteilung nicht zu einer Situation kommt, die ungerecht oder ungewollt ist.
Bestehende Testamente und Erbverträge bleiben zwar auch nach dem 1. Januar 2023 gültig. Es lohnt sich aber, die Erbrechtsrevision zu nutzen, um die Nachlassplanung zu überdenken und bei Bedarf anzupassen. Einige Formulierungen, die in Testamenten häufig verwendet werden, können unter revidiertem Recht Fragen aufwerfen und letztlich dazu führen, dass das Erbe nicht so verteilt wird, wie der Erblasser es geplant hatte.