Sich scheiden zu lassen ist zwar einfach, die finanziellen Folgen sind es häufig nicht. Die Heirat macht aus einem Paar eine Schicksalsgemeinschaft, aus der die beiden Partner nach der Scheidung möglicherweise während Jahren oder gar Jahrzehnten nicht hinausfinden. Das zeigt einmal mehr ein neues bundesgerichtliches Urteil. Konkret zu beurteilen war der Fall eines deutschen Paares mit zwei erwachsenen Kindern, das seit 1999 in der Schweiz wohnt und sich 2014 nach 22-jähriger Ehe scheiden liess. Die heute 62-jährige Frau und ihr zehn Jahre jüngerer Ex-Mann sind beide erwerbstätig.
Vor Bundesgericht verlangte die Frau, dass ihr Ex-Mann ihr nach ihrer Pensionierung im Jahr 2017 monatliche Unterhaltszahlungen von 3000 Franken ausrichten müsse, und zwar bis 2028, wenn er selber in Rente gehe. Mit der ersten und der zweiten Säule werde sie dereinst bloss über 3‘000 Franken monatlich verfügen, ihre Lebenshaltungskosten seien aber doppelt so hoch. Die Aargauer Justiz hatte die Forderung der Frau abgelehnt. Sie sei seit 1999 erwerbstätig und habe sich eine genügende Altersvorsorge aufbauen können. Zudem könne die Unterhaltspflicht nicht nach ein paar Jahren, in denen die Frau ihren Unterhalt selber bestreite, wiederaufleben.
Die Richter in Lausanne sehen das anders. Aufgrund der langen Ehedauer und der gemeinsamen Kinder liege eine lebensprägende Ehe vor, womit die Frau grundsätzlich Anspruch auf Weiterführung des während der Ehe gelebten Standards habe. Wenn sie nun nach ihrer Pensionierung für ihren gebührenden Unterhalt nicht mehr selber aufkommen könne, müsse ihr folglich der Ex-Mann mit Unterhaltszahlungen helfen – und zwar bis er selber in Rente gehe. Dass die Frau die Jahre zwischen Trennung und Pensionierung finanziell vollständig auf eigenen Füsse steht, ändert laut Bundesgericht daran nichts: Der nacheheliche Unterhalt sei grundsätzlich unbefristet geschuldet und ende in der Regel erst, wenn der zahlungspflichtige Partner pensioniert werde.